Es ist schon ein Skandal
Wer extra nach Leipzig kommt, um sein ästhetisches Empfinden und sein Gemüt bei klassischer, figürlicher Malerei zu beruhigen, wird bei der Ausstellung HELGE MACHT FEUER in der Galerie Queen Anne auf massiven Widerstand stoßen.
„Ja, ich bin politisch. Ja, ich bin polemisch und ja, es liegt mir am Herzen“, verkündet Helge Hommes im Hinblick auf seine Kunstaktion, die in einem Zusammenspiel aus Installation, Malerei und der Lesung seines Manifestes im September 2013 in der Galerie Queen Anne Leipzig im Rahmen einer Ausstellung eine Bühne finden wird. Das Manifest erscheint als Buch mit 196 Seiten und Hör-CD. Seit 2012 arbeitet der Künstler wechselweise in seinen zwei Ateliers in Aachen und Leipzig. Seine Mission, scheint im Kontrast zur Leipziger künstlerischen Attitude, dass soziale oder politi- sche Stellungnahmen in der Kunst nichts zu suchen hätten, noch mal mehr in Fahrt zu geraten. „Ich sehe mein Leben als Gesamtkunstwerk, nach bekannter Formel: LEBEN = KUNST + KUNST = LEBEN und versuch mit allen Mitteln der Kunst in dieser Weise zu leben.“
Nach vielen Jahren der Malerei, unterbrochen durch Lebenskrisen, bekommt die Ausstellung HELGE MACHT FEUER für den Künstler die Bedeutung eines Nadelöhrs. Themen, die lange Jahre in ihm geschlummert haben, fordern ihren Tribut und velangen nach Ausdruck.
Ohne von einer Kunsthochschule geformt zu werden, entwickelte Helge Hommes seit 1993 verschiedene Bildsprachen parallel. Jede Bildidee, jede Aussage verlangte nach einer eigenen Ausdrucksform. Seine fotorealistischen Bilder spiegeln dabei seine Wahrnehmung der Außenwelt, nüchtern und lediglich in der Motivwahl sub- jektiv. Die Impression vollzieht sich praktisch weder über das Auge noch über das Licht, sondern über eine persönliche Wertschätzung. Im Fokus stand in erster Linie sein DU-Baum, eine alte Weide in unmittelbarer Umgebung seines Ateliers. Immer wieder malte er diesen Baum, bis er ihn durch die repetitive Wiederholung innerlich wie äußerlich erfasst hatte.
Die Fällung des Baumes wurde zum Trauma. Andererseits stellte dieser Moment der Vanitas aber auch die Weichen neu. Die Weide trieb neu aus. Diese Beobachtung war die Basis, den Lebenszyklus zu reflektieren. Im tieferen Begreifen dieses Prozesses, das sich auch in seinem Leben spiegelte, entwickelte Helge Hommes eine Schwarz- Weiß-Malerei. Schwarze, durch Grün- und Blauanteil gebrochene, dick aufgetragene Farbe, als Baumskelett, als lesbare DNA der Architektur der Natur, bar gegen die weiß grundierte Leinwand, dem langsamen Wuchs des Stammes beziehungsweise der Äste verfolgend. Der Farbauftrag ist massiv wie die Borke des Baumes. Beim Be- trachten der gemalten Äste, spürt man die Affinität des Malers zur Lebensstruktur der Bäume. Die einzelnen Äste oder Ast-Ensembles, werden auf der Leinwand zu kleinen, abstrakten Entelechien, die die Potenz der ganzen Weide in sich tragen. Die sich über Jahre hinziehende bildnerischen Auseinandersetzung mit dem GEGEN- ÜBER -BAUM hatte auch therapeutischen Charakter und wurde für Helge Hommes ein Quell für die Reflektion seines bisherigen Lebens.
Angesichts der Vielschichtigkeit und Brüchigkeit erarbeitete er nicht nur verschie- denste Selbstportraits, sondern verband diese mit verschiedenen schlaglichtartigen malerischen Einwürfen, zu einer raumgreifenden, prozessualen Installation.
2011 errichtete Helge Hommes im Kontext der Grenzkunstroute im Belgisch-Aache- ner Wald erstmalig einen 13 Meter hohen Baum aus Sperrmüll. Bestehend aus Abfall, entwickelte der Sperrmüllbaum eine fast organische Struktur, so dass er sich bio- morph getarnt als Kuckuckskind in den Wald gesellte. Er wurde zu einer Landmarke.
Jetzt, 2013, geht es nicht nur zurück in die Zivilisation, sondern direkt ins Epizentrum der Malerei nach Leipzig. Sechs Meter Höhe und einen Durchmesser von acht Metern umfasst die Sperrmüllwurzel, die Helge Hommes zum 21. September in die Galerie Queen Anne pflanzen wird.
Maßstäblich wird sich der Besucher in der Galerie einem mehrere hundert Jahre alten Mammutbaum gegenüber fühlen. Weder die Wurzel noch der Wipfel sind von seiner Perspektive aus zu überblicken. Stattdessen kann er die Wurzel begehen, in ihr Schutz suchen und sie inwendig erfassen.
Betritt er sie, trifft er in dem komplett schwarzen Innenraum mittig auf einem zu einem Thron aus Sperrmüll gebauten, weißen Baumwurzelstumpf den Künstler, der sein Manifest liest. An den Schwarzbemalten Innenwänden des Sperrmüll- baumstumpfes schauen einen mit weißer und schwarzer Farbe auf Abfallkartona- ge gemalte Portraits an. Dargestellt sind Persönlichkeiten der Weltgeschichte, die Helge Hommes als seine geistige Familie bezeichnet. Unter anderem Denker, die ihn geistig beeinflusst und die somit Eingang in das Manifest gefunden haben. Die Portraits, sie sind sowohl untereinander als auch mit dem Mikrophon, in das Helge Hommes den Text spricht, durch Drähte verbunden. Diese fließen gebündelt durch die Galerie in den Außenraum, wo sie in kleinen Sperrmüllbaumstümpfen mit einge- bautem Bildschirm münden und das gelesen Manifest in die Welt lassen.
Neben der riesigen Baumwurzel befinden sich in der Galerie drei großformatige Ma- lereien. Eine Baumwurzel, die auf die Schwarz-Weiß-Serie verweist, ein Selbstportrait des Künstlers, bei dem die Zweidimensionalität durch eine installative Bilderweite- rung aufgehoben ist. Das dritte Bild, 260 x 400 cm, zeigt den Gegenüber-Baum des Künstlers. Im Fond ist er fotorealistisch dargestellt, übermalt von einer Art phantas- tischer Schneeverwehung, die im Vordergrund von expressiven, in Neonfarben gehaltenen Streifen durchbrochen und aufgeladen werden.
Der Malerei kommt in der Ausstellung ein Doppelfunktion zu: sie dient als malerische Basis sowie als Baustein des Manifestes.
Lesung Manifest:
21.09.2013: 12–13 Uhr; 14–15 Uhr, 16–17 Uhr; 18–19 Uhr; 20–21 Uhr 22.09.2013: 12–13 Uhr; 14–15 Uhr, 16–17 Uhr
Den letzten Lesetermin am Samstag übernimmt E-Oma aus Kassel mit einer musikalisch-symbiotischen Performance, die an den Ausklang der Hör-CD angelehnt ist.
HELGE MACHT FEUER Helge Hommes Installation, Malerei, Performance
Ausstellungsdauer 21.09–02.11.2013
Vernissage 21.09.13, 11–21 Uhr 22.09.13, 11–18 Uhr
Bildmaterial: Modell, Helge macht Feuer, Galerie Queen Anne, 2013, Courtesy: Galerie Queen Anne, Foto: Thomas Bär
Galerie Queen Anne
Spinnereistraße 7/ Halle 10
04179 Leipzig
T +49 (0) 341.5658761
F +49 (0) 341.6790470
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Die Galerie Queen Anne besteht seit April 2010 als ständiger Ausstellungsraum der Modes&Niebel GbR. Darüberhinaus kuratiert und begleitet Modes&Niebel GbR verschiedene andere Ausstellungen, vermittelt den Ankauf oder Verleih von Werken sowie Projekte verschiedenster Art, die im Kunstkontext angesiedelt sind.
Hierbei greift das Unternehmen auf ein bestehendes Netzwerk von Künstlern, in fester oder freier Zusammenarbeit, zurück.